Die schwarze Magie des Transfers von Verbrauchsmaterialien

David Keen, Director of Pharmaceutical Microbiology for Ecolab Life Sciences, erläutert seine Beobachtungen und Best Practices für die Reinraum-Transferdesinfektion.

Spraying transfer hatch with IPA

Vor meiner Arbeit bei Ecolab hatte ich absolut keine Ahnung, dass es einen Zusammenhang zwischen Harry Potter, Tinker Bell, Gandalf und einigen pharmazeutischen Herstellern gibt. Was ist der Zusammenhang? Natürlich Magie. 

Wo und warum nutzen Pharmaunternehmen die dunklen Künste (und ich spreche nicht von Mikrobiologie – alle Chemiker fühlen sich sicher gleich angesprochen …). Es ist die Wissenschaft der Transferdesinfektion. Ich habe eine Reihe von wirklich aufschlussreichen Praktiken in der Branche gesehen und bin zu der Schlussfolgerung gekommen, dass einem Unternehmen ohne strukturiertem Ansatz zur Transferdesinfektion nur Hoffnung oder Magie bleibt. Die Magie, von der ich spreche, ist sehr stark und ermöglicht es, schmutzige Gegenstände von außerhalb ohne Transferdesinfektion in Reinräume zu bringen. Jegliche auf den Gegenständen vorhandene Kontamination – mikrobiell, chemisch oder physikalisch – wird offenbar allein durch Magie daran gehindert, den Transferbereich zu verlassen.

Hier sind drei Beispiele, die ich während der letzten 12 Monate selbst beobachten konnte.  

  1. Ein Unternehmen holte eine Palette mit Verbrauchsmaterialien für Fertigprodukte aus einem externen Lager. Die Palette und die äußere Umhüllung waren sichtbar schwarz mit Schmutz. Die Palette und die Verbrauchsmaterialien darauf wurden in eine Transferschleuse der Klasse C geschoben (es gab keinen Bereich der Klasse D zwischen den beiden Bereichen). Die Türen wurden geschlossen und die Materialien wurden zur sofortigen Verwendung in ein Lager für unfertige Erzeugnisse (Work in Progress, WIP) befördert. Zu keinem Zeitpunkt wurde der Inhalt auf eine andere (saubere oder wiederverwendbare) Palette umgeladen, die schmutzige Außenhülle entfernt oder ein chemisches Desinfektionsmittel jeglicher Art verwendet. Als ich nach den Umweltüberwachungsergebnissen von der Übergabeschleuse fragte, wurde mir gesagt, dass keine durchgeführt wurde. Man war jedoch über den hohen Gehalt an sporenbildenden Bakterien erstaunt, die man routinemäßig in den Reinräumen der Klasse C entdeckte.
  2. Ein zweites Unternehmen verwendete nur Alkoholspray beim Transfer von Gegenständen in die Reinräume, unabhängig davon, woher diese Materialien stammten. Auch hier fanden wir bei näherer Betrachtung der Umweltüberwachungsdaten in diesen Bereichen ungewöhnlich hohe Konzentrationen bakterieller Sporenbildner. Wie im vorherigen Beispiel führte auch dieses Unternehmen eine offene, langfristige Untersuchung über deren Ursprung durch. Die Unterlassung, ein sporizides Desinfektionsmittel zur Transferdesinfektion zu verwenden, befand sich nicht auf ihrer Liste der bevorstehenden Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen.
  3. Im Zusammenhang mit dem letzten Beispiel steht auch ein Schlagwort, das einigen bekannt sein dürfte: „Spray and Pray“. Hier wurden Materialien in eine Durchreiche eingebracht, daraufhin wurde ein Desinfektionsmittel zufällig oft in die Richtung der Gegenstände und gegen den durch die Druckkaskade erzeugten Luftstrom gesprüht. Die Gegenstände wurden nicht abgewischt und es wurde sicher kein Desinfektionsmittel auf den Oberflächen verwendet, die in direktem Kontakt mit dem Boden der Durchreiche standen. In diesem Fall stellt sich der Zusammenhang etwas anders dar, da die Umweltüberwachung zwar in der Durchreiche durchgeführt wurde, aber nur auf den Oberflächen, die etwas von dem Spray abbekommen haben – danach konnte nur gehofft werden. Es überrascht nicht, dass die zufriedenstellenden Daten von den besprühten Flächen im Widerspruch zu den Daten aus dem Reinraumbereich in der Nähe der Durchreiche standen. Wie konnten diese drei unterschiedlichen und durchaus seriösen Unternehmen solche Fehler machen? Und was waren die Fehler genau?  

Ecolab hat keine Schule für die Ausbildung in Magie, daher kann ich nur auf die bewährten Verfahren für normal Sterbliche eingehen.

Das am häufigsten verwendete Desinfektionsmittel für die Transferdesinfektion ist üblicherweise Alkohol. Es ist eine gute Wahl, da es schnell wirkt, ein breites Wirkungsspektrum gegen vegetative Zellen hat und wenig oder gar keine chemischen Rückstände hinterlässt. Es wird in vielen verschiedenen Formaten von namhaften Anbietern angeboten und erfüllt die Anforderungen der meisten Aspekte der Transferdesinfektion. Der einzige große Nachteil? Es ist nicht sporizid. Sporenbildende Bakterien und Schimmelsporen fallen normalerweise unter die allgemeine Bezeichnung „Umweltisolate“, wenn sie in einem Reinraum entdeckt werden. Diese Organismen kommen in der Außenwelt auf natürliche Weise vor und sind in besonders hoher Zahl in der Erde, in Holz und künstlichen Materialien wie Pappe zu finden.  

Eine Möglichkeit des Eindringens dieser Mikroorganismen in einen Reinraum besteht darin, dass sie in hoher Zahl auf diesen „hochriskanten“ Materialien wie Holzpaletten und Pappkartons vorhanden sind. Anschließend werden sie von Verbrauchsmaterialien, die mit diesen Materialien in Kontakt gekommen sind, weiter transportiert und gelangen so in Reinraumbereiche. Aus diesem Grund ist an geeigneten Stellen die Beseitigung von Holz oder Pappe, das „Entrümpeln“ oder die Entfernung der äußeren Hülle erforderlich. Dies umfasst auch für die notwendige Nutzung eines sporiziden Desinfektionsmittels an einem bestimmten Punkt des Transferprozesses vom Lager zu den Bereichen mit Produktkontakt – vorzugsweise zu Beginn des Prozesses, wo die Keimbelastung wahrscheinlich höher liegt. Die Anforderung, Sporizide zur Transferdesinfektion anstelle von Alkohol allein in Betracht zu ziehen, ist nicht neu.​​​​​​​

Die PIC/S-Empfehlung zur Validierung aseptischer Prozesse PI 007-6 aus dem Januar 2011 besagt:

„Sporizide Mittel sollten wo immer möglich eingesetzt werden, insbesondere aber zum Besprühen von Komponenten und Geräten in aseptischen Bereichen.“

Der MHRA-Leitfaden für Hersteller von Spezialprodukten 2015 besagt:  

„Vor dem Transfer in den Herstellungsraum muss ein Desinfektionsschritt mit einer Sprüh- und Wischtechnik und einem sporiziden Mittel zur Inaktivierung von Bakterien- und Pilzsporen durchgeführt werden.“

Der FDA-Leitfaden zur aseptischen Verarbeitung besagt:

„Es ist von maßgeblicher Bedeutung, Material (z. B. prozessbegleitende Betriebsmittel, Ausrüstung, Gebrauchsgegenstände) während des Transfers von weniger gut klassifizierten zu höher klassifizierten sauberen Bereichen angemessen zu kontrollieren, um das Eindringen von Verunreinigungen zu verhindern. Beispielsweise sollten Abläufe schriftlich festgelegt werden darüber, wie die Materialien in den aseptischen Verarbeitungsraum befördert werden müssen, damit die Raumbedingungen nicht beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang sollten Materialien mit angemessenen Verfahren desinfiziert werden …“

Anhang 1 Feb 2020 v.12 ENTWURF 4.12 ii besagt:

  • „Durchreichen sollten so gestaltet sein, dass sie die höherrangige Umgebung beispielsweise durch wirksame Spülung mit einer aktiven gefilterten Luftzufuhr schützen.
  • Der Transfer von Material oder Ausrüstung aus einem niederrangigen oder nicht klassifizierten Bereich in einen höherrangigen, sauberen Bereich sollte mit Reinigung und Desinfektion einhergehen, die dem Risiko entsprechen und im Einklang mit der Kontaminationskontrollstrategie (Contamination Control Strategy, CCS) stehen“.

Stark verschmutzte äußere Hüllen sollten zunächst entfernt und entsorgt werden. Dasselbe gilt für verschmutzte Palletten. Wiederverwendbare Paletten (die aus einem geeigneteren Material wie Metall oder Kunststoff hergestellt werden, einer regelmäßigen dokumentierten Reinigung und Desinfektion unterzogen werden und in einer bestimmten Reinraumklasse verbleiben) können dafür nützlich sein. Im Rahmen des Materialtransfers zu desinfizierende Gegenstände sollten mit dem Desinfektionsmittel abgewischt werden, da mechanische Einwirkung die Wirksamkeit einer Desinfektion stark erhöht und größeren Kontakt des Desinfektionsmittels mit den Mikroben ermöglicht. Die mechanische Wirkung des Abwischens entfernt auch einige der Organismen, die das Desinfektionsmittel nicht abtöten kann, wie z. B. Endosporen.

Wenn Sie also an einem Life Sciences-Standort tätig sind und sich nicht auf Tinkerbell, Harry Potter oder Gandalf verlassen wollen, dann sollten Sie Folgendes berücksichtigen:

  1. Nutzen Sie ein sporizides Desinfektionsmittel, das zusammen mit Alkoholen an einem bestimmten Punkt des Transferprozesses verwendet werden sollte.​​​​​​​
  2. Wischen Sie nach dem Einsprühen die Oberflächen immer ab. Einsprühen alleine ist nicht wirksam genug.
  3. Achten Sie darauf, dass die zu desinfizierenden Oberflächen sauber und nicht verschmutzt sind. Entfernen Sie äußere Hüllen, wechseln Sie die Paletten und entfernen oder entsorgen Sie Kartons.
  4. Stellen Sie sicher, dass Ihr Programm für die Umweltüberwachung den Transferprozess einschließt.

Über den Autor

Ecolab Life Sciences Expert

David Keen, Director of Pharmaceutical Microbiology bei Ecolab Life Sciences

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