Bakterielle Sporen und Pilzsporen – Mythen und Fallstricke

Alle guten Mikrobiologen werden Ihnen sagen können, das Abtöten vegetativer Mikroorganismen sei eine Sache, das Zerstören von Sporen aber eine andere. Was bedeutet das? Können alle Sporen gleich behandelt werden? In diesem Artikel erfahren Sie, warum mikrobielle Sporen, insbesondere Bakteriensporen, in der Industrie zu Problemen führen können.

Photo of Fungal spores which can be seen as ‘offspring’ of the main organism.

Abbildung 1: Eine Pilzspore auf einem Fruchtkörper


Wodurch unterscheiden sich mikrobielle Sporen von anderen Sporenarten? Sporen sind, vereinfacht gesagt, ein Überlebensmechanismus, den Mikroorganismen in Stress- und Hungerphasen oder bei Angriffen nutzen. Ein guter Vergleich lässt sich an Samen und Pollen aus der Pflanzenwelt anstellen. Während sich aus einem Pflanzensamen eine neue Pflanze entwickeln kann, verharrt dieser so lange im ruhenden Zustand, bis die Bedingungen für die Keimung günstig sind. Samen müssen zwei Grundfunktionen erfüllen, um erfolgreich zu sein. Zum einen müssen sie das genetische Material schützen, das in ihnen gespeichert ist, zum anderen müssen sie dafür sorgen, dass sie sich, nachdem sie die Mutterpflanze verlassen haben, verbreiten. Eine bakterielle Spore hat in etwa dieselbe Funktion.

Sporen werden nicht nur von Bakterien gebildet. Bei ausreichend Nährstoff nehmen Pilze die Form einer fadenförmigen Masse (das Mycel) an. Die einzelnen, fadenförmigen Zellen des Pilzes, auch Hyphen genannt, geben zu ihrer Ernährung Verdauungsenzyme nach außen ab. Sie nehmen die Nährstoffe aus einer nährstoffreichen Umgebung auf. Das Wachstum des Pilzes wird durch einen geringen Nährstoffgehalt oder eine Stresssituation (z. B. Feuchtigkeitsmangel) beeinflusst. In gestressten Bereichen des Mycels beginnen Hyphen, Fruchtkörper zu bilden, die in die Höhe wachsen. Bekannte Beispiele für Fruchtkörper sind Pilze und Giftpilze. Diese Fruchtkörper erfüllen denselben Zweck. Sie produzieren Zehntausende Pilzsporen, die sich in der Luft ausbreiten. Einige von ihnen sorgen sogar für ihr eigenes Klima, um die Ausbreitung zu unterstützen. So setzen Pilze beispielsweise Wasserdampf frei, der die Umgebungsluft abkühlt und die vom Pilz freigesetzten Sporen mit sich trägt und somit ihre Ausbreitung ermöglicht.

Pilzsporen haben sich weiterentwickelt, um die Ausbreitung des Organismus in von Wettbewerb freien Umgebungen oder in Umgebungen mit hohem Nährstoffgehalt zu unterstützen. Pilzsporen sind, ähnlich wie Pflanzensamen und Bakteriensporen, robust und dank ihres Aufbaus in der Lage, in der Umwelt über einen längeren Zeitraum zu überleben. Pilzsporen können als „Nachkommen“ des Hauptorganismus angesehen werden. [vgl. Abbildung 1]

Einige Bakterienarten können Sporen auch als Reaktion auf Umweltstress bilden. Es gibt zwei Arten von Bakteriensporen: Die Exosporen und die Endosporen. Exosporen werden auch als mikrobielle Zysten bezeichnet. Sie sind weniger resistent als Endosporen, mit denen sich der Artikel näher befassen wird. Nicht alle Bakterien können Endosporen bilden. Ausschließlich zum Stamm der Firmicutes gehörede Bakterien, z. B. Bacillus und Clostridia, sind hierzu in der Lage.

Im Gegensatz zu Pilzsporen, die von bestimmten großen Strukturen, den Fruchtkörpern, abstammen, entstehen Endosporen innerhalb einer Bakterienzelle (Exosporen entstehen außerhalb der Bakterienzelle). Die Bildung einer Endospore wird üblicherweise durch die Reaktion auf einen Mangel an verfügbaren Nährstoffen in der Umwelt und die dadurch verursachte Aktivierung des Überlebensmechanismus in der Zelle ausgelöst. Anders als bei Pilzsporen dient die Endosporenbildung nicht zur Erzeugung von Nachkommen. Sie ist vielmehr ein Mechanismus zum Schutz der einzelnen Bakterienzellen.

Bakterien-Endosporen, sind, sobald sie vollständig ausgebildet sind, unglaublich resistent. In wissenschaftlichen Publikationen ist zu lesen, Wissenschaftler seien in der Lage, lebensfähige Sporen regelmäßig für mehr als zehntausend Jahre zu isolieren und wiederzubeleben. Lebensfähige, mehr als 40 Millionen Jahre alte Sporen (d. h. 32 Millionen Jahre vor der Entwicklung des Menschen auf der Erde) wiederzubeleben, ist weniger üblich. Es gibt einen wissenschaftlichen Bericht über die Wiederbelebung lebensfähiger Bacillus-Sporen, die mehr als sage und schreibe 250 Millionen Jahre alt gewesen seien – das heißt, sie stammten aus der Zeit, bevor die Dinosaurier auf der Erde lebten.


A chart showing that a spore is made up of an Exosporium, Spore Coats, Cortex and Core

Abbildung 2: Eine Spore


Bakterien-Endosporen sind von Natur aus resistent gegen Angriffe aus der Außenwelt. Dazu gehören in der heutigen, modernen Zeit die Methoden zur Sterilisation und chemischen Desinfektion. Endosporen sind resistenter gegenüber Chemikalien oder anderen Prozessen, die vegetative Zellen leicht abtöten können.


Chart stating that endospores are more resistant to chemicals or other processes that can easily kill vegetative cells

Abbildung 3: Die Resistenz von Sporen


Sowohl Pilz- als auch Bacillus-Sporen können sich in höchst lebensfeindlichen Umgebungen ausbreiten oder in diesen überleben. Bei dem Versuch, diese Keime mithilfe von Desinfektionsmitteln zu bekämpfen, herrscht häufig eine gewisse Verwirrung. Dies wiederum führte in der Pharmaindustrie zu einigen Unklarheiten, als versucht wurde, Oberflächen vor mikrobiellen Keimbelastungen zu bewahren.

Die folgenden vier Informationen werden Ihnen vielleicht dabei helfen, eine angemessene Desinfektion vorzunehmen:

  1. Pilzsporen sind zwar widerstandsfähiger als vegetative Zellen, jedoch deutlich weniger resistent als Bakterien-Endosporen. Zahlreiche Breitband-Bakteriziden sind durchaus in der Lage, Pilzsporen zu zerstören. Deshalb ist es möglicherweise nicht immer erforderlich, beim Versuch, Pilzsporen in einem Reinraum unter Kontrolle zu halten oder aus einem Reinraum zu beseitigen, ein sporizides Mittel zu verwenden.
  2. Die Resistenzprofile variieren je nach Art der endosporenbildenden Bakterien. In der Nahrungsmittelindustrie oder in der Medizin gelten Clostridia spp. (Bakterien) als überaus pathogene Mikroorganismen. Ein Befall dieser Bereiche durch diese Bakterien ist Anlass zu höchster Beunruhigung und muss unbedingt bekämpft werden. In der Pharmaindustrie ist es äußerst wichtig, nach dem Bacillus spp. zu suchen, da dieses Bakterium resistenter ist als Clostridien. Um Bakterien-Endosporen des Bacillus spp abzutöten, sollte ein sporizides Desinfektionsmittel verwendet werden. Können Sie diese bekämpfen, so sind Sie auch vor dem Bakterium Clostridium geschützt.
  3. Gelegentlich konnte ich bei Kunden beobachten, dass ihnen die sporiziden Desinfektionsmittel, die sie im Rahmen ihrer Desinfektionsmittel-Rotation verwendeten, in unzureichender Menge zur Verfügung standen. Einer der Gründe dafür ist die Annahme, dass sich ändernde Umweltfaktoren dazu führen, dass in einer bestimmten, sporenbildenden Bakterienpopulation alle Sporen zur selben Zeit gebildet werden. Während diese Breitband-Bakterizide vegetative Zellen abtöten, findet die Bildung von Endosporen in einer Bakterienpopulation zu verschiedenen Zeiten statt. Dies ist auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen, wie z. B. das Alter der Zellen, die Belastung durch Stress oder sogar die Position in einer Population. Das heißt, auch wenn ein bakterizides Desinfektionsmittel regelmäßig angewendet wird, werden die Sporen in einem Reinraum weiter gebildet und sie überleben dort auch.
  4. Ein letzter Fehler, der hin und wieder in der Industrie beobachtet werden kann, ist die Tatsache, dass Sporizide nur selten und oft erst dann eingesetzt werden, nachdem sporenbildende Bakterien entdeckt wurden (eher reaktiv als präventiv). Dafür gibt es mehrere Gründe und in erster Linie das Gesundheits- und Sicherheitsrisiko für Menschen sowie das Risiko, durch diese aggressiven Chemikalien Schäden in den Einrichtungen zu verursachen. Ein reaktiver Ansatz fördert die Wiederbelebung sporenbildender Bakterien und ermöglicht ihnen, sich in Ihren kritischen Bereichen zu entwickeln und möglicherweise in das Produkt einzudringen. Durch den proaktiven, abwechselnden Einsatz von Sporiziden und routinemäßigen Desinfektionsmitteln mit einem breiten Wirkspektrum verringern Sie das Risiko, dass sporenbildende Bakterien Kontaminationen verursachen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bakterien und Pilze als Reaktion auf lebensbedrohliche Umwelteinflüsse Mechanismen entwickelt haben, die ihre Proliferation und ihr Überleben unterstützen. Es ist wichtig, diese Bakterienresilienz zu verstehen, um sein Portfolio an Desinfektionsmitteln richtig zusammenzustellen. Bei der Validierung von Desinfektionsmitteln sollte sorgfältig überprüft werden, welche Organismen das Mittel bekämpft und welche Desinfektionsmittel in der Einrichtung routinemäßig zum Einsatz kommen. Gerne stehen wir Ihnen mit technischem Rat zur Seite.

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